Kein Veräußerungsgeschäft bei teilentgeltlicher Übertragung von Immobilien

Praxistipp – Urteil des FG Niedersachsen v. 29.05.2024, Az.: 3 K 36/24

Nach einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts Niedersachsen vom 29. Mai 2024, Az.: 3 K 36/24, sind teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der Anschaffungskosten keine steuerpflichtigen Veräußerungen.

Rechtslage

Grundsätzlich ist die Veräußerung von Gegenständen aus dem Privatvermögen steuerfrei. Veräußerungen von Grundstücken aus dem Privatvermögen unterliegen jedoch der Steuerpflicht, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen. Diese Regelung dient der Besteuerung realisierter Wertzuwächse im Privatvermögen.

Wird eine Immobilie unentgeltlich übertragen, also verschenkt, erfüllt dies den Tatbestand der Veräußerung nicht, selbst wenn die zehn Jahre noch nicht abgelaufen sind. Wird mit der Schenkung jedoch die Übernahme von Auflagen oder – wie im zu entscheidenden Fall – Bankdarlehen verbunden, liegt eine sogenannte Teilentgeltlichkeit vor. Das bedeutet, dass steuerlich nur ein Teil der Immobilie im steuerlichen Sinn geschenkt wurde. Die aktuelle Entscheidung befasst sich nun mit der Frage, ob diese Teilentgeltlichkeit eine Veräußerung darstellt.

Sachverhalt

Der Kläger hatte ein bebautes Grundstück für ca. EUR 140.000,00 erworben. Die Anschaffung hatte er teilweise durch einen Kredit finanziert. Fünf Jahre später übertrug der Kläger die Immobilie auf seine Tochter. Diese übernahm im Rahmen der Übertragung die noch offenen Beträge des Bankdarlehens in Höhe von EUR 115.000,00.

Das Finanzamt berücksichtigte den Vorgang als steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft, da die Immobilie innerhalb von 10 Jahren nach der Anschaffung weiterveräußert worden sei.

Im vorliegenden Fall betrug der entgeltliche Teil der Übertragung EUR 115.000,00. Er lag somit unter den Anschaffungskosten in Höhe von ca. EUR 140.000,00. Das Finanzamt unterwarf den entgeltlichen Teil der Besteuerung und zog zur Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns als Anschaffungskosten lediglich einen Anteil der ursprünglichen Anschaffungskosten ab. Dieser Anteil der Anschaffungskosten entsprach dem Anteil des Entgelts von EUR 115.000,00 am Verkehrswert des Grundstücks.

Entscheidung

Das Vorgehen des Finanzamts wurde vom Finanzgericht Niedersachsen in mehreren Punkten beanstandet.

Liege der entgeltliche Teil der Veräußerung unter den historischen Anschaffungskosten, so handele es sich nach Ansicht des Finanzgerichts Niedersachen nicht um ein Veräußerungsgeschäft. Beim Veräußerer realisiere sich gerade keine Werterhöhung. Ein Vermögensvergleich ergebe, dass der Veräußerer/Schenker nach der Übertragung sogar über weniger Vermögen verfüge als vor der Übertragung.

In einer solchen Konstellation liege ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vor, weil der Veräußerer/Schenker ohne Vermögenszuwachs, ohne Steigerung der Leistungsfähigkeit besteuert werde.

Das Gericht sah auch eine Doppelbesteuerung des Sachverhaltes. Es werde eine steuerpflichtige Schenkung einerseits und ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft andererseits angenommen, obwohl ein identischer Lebenssachverhalt zugrunde liege. Der Sachverhalt sei einzig auf Ebene der Schenkungsteuer zu berücksichtigen.

PSP-Praxistipp

Die Entscheidung des Finanzgerichts Niedersachsen ist zu begrüßen. Sie stellt sicher, dass eine Besteuerung nur dort erfolgt, wo auch ein tatsächlicher Wertzuwachs erfolgt. Sie erleichtert in der Praxis die Übernahme von Belastungen auf Immobilien, da sie das Steuerrisiko der Einkommensteuer bei Schenkungen mit der Übernahme von Belastungen beseitigt.

Gegen die Entscheidung wurde durch das Finanzamt Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt (Az. IX R 17/24). Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof sich zu den einzelnen Rechtsfragen positioniert und ob er alle aufgeworfenen Fragen für entscheidungserheblich hält. Bei ähnlich gelagerten Fällen sollte Einspruch gegen Bescheide eingelegt werden. Dieser kann mit einem Hinweis auf das laufende Verfahren begründet werden.