Umsatzsteuerliche Behandlung von Bildungsleistungen
BFH versucht Schadensbegrenzung - Vereinfachung und Entbürokratisierung sieht anders aus
Um eine Einstellung des gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens in Bezug auf die fehlende Umsatzsteuerbefreiung für Privatlehrer zu erreichen, hat der deutsche Gesetzgeber die umsatzsteuerliche Befreiungsvorschrift von Bildungsleistungen in § 4 Nr. 21 UStG neu geregelt. Die Neuerungen gelten für Leistungen, die nach dem 31.12.2024 ausgeführt werden. Bereits in der Vergangenheit hatte der deutsche Gesetzgeber mehrmals vergeblich versucht, die europäischen Regeln umzusetzen.
Der final verabschiedete und in Kraft getretene Gesetzestext ist ein Beispiel dafür, dass Lobbyarbeit nicht zwingend zu einer Verbesserung des Rechtsstandes beitragen muss.
Vereinfacht erläutert, wurde die Vorschrift dahingehend geändert, dass (-) der Inhalt der Bescheinigung der Landesbehörde neu festgelegt und (--) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht steuerbefreit gestellt wird. Die sich insbesondere für die Praxis aus dem ersten Punkt ergebenden Konsequenzen können erheblich sein. Wurde in der Vergangenheit bescheinigt, dass die jeweilige Bildungsmaßnahme, z. B. der Nachhilfeunterricht auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, so muss sie jetzt bspw. bescheinigen, dass mit der Bildungsmaßnahme Schulunterricht erbracht wird. Bildungseinrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und die keine Ersatzschulen darstellen, müssen ab dem 01.01.2025 somit prüfen, ob sie Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen und einen entsprechenden Antrag stellen, um für ihre entgeltlichen Bildungsangebote in den Genuss der Steuerbefreiung zu kommen. Soweit ersichtlich, sind die Landesbehörden hierauf noch gar nicht eingestellt.
Umso erfreulicher ist es, dass das BMF versucht, die neue Rechtslage sehr schnell mit einem Anwendungsschreiben zu befrieden. Ein Entwurf ist den Verbänden bereits zur Anhörung übermittelt worden. Das Schreiben umfasst 21 Seiten. Insoweit ist es ein pragmatisches und begrüßenswertes Vorgehen der Finanzverwaltung, wenn darin geregelt wird, dass eine vor dem 1. Januar 2025 durch die zuständige Landesbehörde ausgestellte Bescheinigung bis zum Ablauf eines Gültigkeitszeitraums oder eines etwaigen Widerrufs i. S. d. § 4 Nr. 21 Abs. 1 Buchst. a Doppelbuchstabe bb UStG weiterhin anzuerkennen ist. Die entspricht bereits der Auffassung der Bundesregierung, wie sich aus einer diesbezüglichen Antwort vom 05.12.2024 auf eine Anfrage aus dem Bundestag ergibt. Bekanntermaßen sind aber Gerichte an derartige Schreiben nicht gebunden. Nur sofern Bildungseinrichtungen sicher sind, dass es auch zukünftig zu keinen Unstimmigkeiten mit dem Finanzamt im Bereich der Umsatzsteuer kommt, sollten sie dem pragmatischen Weg des BMF folgen.
Große Unsicherheit besteht weiterhin für Bildungseinrichtungen, die ihre Leistungen steuerpflichtig erbringen möchten. Zwar scheint auch hier das BMF die Problematik erkannt und versucht zu haben, die Risiken zu verringern, aber lösen kann dies das Problem leider nicht wirklich. Zwar ist die explizite Möglichkeit der Beantragung der Bescheinigung durch das Finanzamt „von Amts wegen“ nicht mehr in den Regelungen des Anwendungserlasses vorgesehen, das bedeutet jedoch nicht, dass eine zwingende Anwendung der Steuerbefreiung aufgrund der gesetzlichen Regelung ausgeschlossen ist.
Neuland müssen sicherlich einige Bildungseinrichtungen beschreiten, die grenzüberschreitende Bildungsleistungen auch per Streaming oder auf andere Weise virtuell verfügbar machen. Diese müssen zukünftig unterscheiden, ob ihre Bildungsmaßnahme nur „analog“ erbracht oder parallel auch in Echtzeit gestreamt wird, d. h. es sich um eine sog. hybride Veranstaltungsleistung handelt. Ist dies der Fall, so bestimmt sich der Ort für die virtuellen Teilnehmer nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 UStG und befindet sich nicht mehr am Veranstaltungsort, sondern an deren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt. Folglich muss sich der Veranstalter informieren, wie die Leistungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet oder im Drittland besteuert werden. Sieht das jeweilige Land keine Befreiung vor, so ist ausländische Umsatzsteuer abzuführen.
Selbiges gilt für reine „Mediathekfortbildungen“, d. h. Bildungsleistungen bei denen keine Interaktionsmöglichkeit mit Dozenten besteht wie bspw. Apps oder Lernplattformen sowie die Bereitstellung von aufgezeichneten Bildungsveranstaltungen. Bei dieser Durchführungsart der Bildungsleistung kommt erschwerend hinzu, dass auch Deutschland für im Inland ansässige Teilnehmer keine Umsatzsteuerbefreiung vorsieht. Hier wäre der nationale Gesetzgeber gut beraten gewesen, wenn er von der ihm zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte und auch die auf elektronischem Weg erbrachten Bildungsleistungen steuerfrei gestellt hätte.
Der richtige Weg wäre, wenn eine neue Regierung sich der Thematik annimmt. Der Deutsche Steuerberater Verband e. V. hatte hierzu mit namhaften Vertretern bereits am 30. Oktober 2024 eine sehr umfassende Eingabe an den Bundestag mit dem Titel „Die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen für alle Anbieter fair gestalten“ gerichtet.