Steuerklassenreform und Faktorverfahren: Ein Weg zur Gleichstellung?

Das Bundeskabinett hat am 24.07.2024 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz – SteFeG) beschlossen. Der Entwurf baut auf dem erst kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf eines Zweiten Jahressteuergesetzes 2024 auf und ergänzt diesen um einige Aspekte des von der Ampelkoalition Anfang Juli angekündigten Wachstumspakets.

Faktorverfahren ab 2030

Eine der geplanten Änderungen soll insbesondere zur gerechteren Verteilung der Lohnsteuerbelastung unter Eheleuten bzw. Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft führen („(Ehe-)Partner“). Konkret sollen unter Beibehaltung des Ehegattensplittings nach § 32a Abs. 5 EStG die bisherigen Lohnsteuerklassen III und V abgeschafft und in ein Faktorverfahren überführt werden. (Ehe-)Partner werden somit weiterhin der Lohnsteuerklasse IV zugeordnet, wobei die Lohnsteuerklasse IV in eine reine Lohnsteuerklasse IV und eine Lohnsteuerklasse IV mit Faktor differenziert werden soll. Die Lohnsteuerklasse IV mit Faktor soll nach § 39f EStG-E den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen der beiden (Ehe-)Partner durch die Anwendung des Faktorverfahrens Rechnung tragen.

(Ehe-)Partner, die beide aufgrund ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland mit ihren Einkünften unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, haben die Wahl: entweder lassen sie ihre Einkünfte getrennt behandeln (Einzelveranlagung) oder sie wählen die Zusammenveranlagung. Über die Anwendung bestimmter Steuerklassen werden die Vorteile des Ehegattensplittings bereits unterjährig beim laufenden Lohnsteuerabzug berücksichtigt, anstatt erst in der Einkommensteuererklärung. Dabei sind bisher zwei Kombinationen möglich: Entweder erhalten beide (Ehe-)Partner die Steuerklasse IV oder ein (Ehe-)Partner erhält die Steuerklasse III und der andere die Steuerklasse V. Das Letztere führt in der Regel zu einer höheren unterjährigen Liquidität, da regelmäßig der (Ehe-)Partner mit dem höheren Ein-kommen die Steuerklasse III wählt und es entsprechend zu einer geringeren (unterjährigen) Steuerbelastung für diese Person kommt, als bei der Wahl der Steuerklasse IV, während der geringer verdienende (Ehe-)Partner in der Regel einer höheren (unterjährigen) Besteuerung in der Steuerklasse V unterliegt. Die finale Steuerlast wird regelmäßig mit der Einkommensteuererklärung festgesetzt.

Mit der Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren für (Ehe-)Partner soll der Lohnsteuerabzug zum 01.01.2030 insgesamt vereinfacht werden. Ausweislich § 39g Abs. 1 EStG-E soll das BZSt zur Überführung in die Besteuerung mit der Steuerklasse IV mit Faktor zum 01.10.2029 für (Ehe-)Partner, die zum 30.09.2029 in die Steuerklassen III und V eingereiht sind, einen Faktor als Lohnsteuerabzugsmerkmal anhand der Daten, die sich aus den für das Kalenderjahr 2028 übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen ergeben, bilden. Den als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildeten Faktor teilt das BZSt den (Ehe-)Partnern im Anschluss elektronisch mit. Der Gesetzesentwurf sieht zudem eine Erleichterung vor: bislang normierte § 39f Abs. 1 Satz 9 EStG die zweijährige Gültigkeit des Faktorver-fahrens. Die Neuregelung sieht in den § 39f Abs. 1 Satz 4 EStG-E in Verbindung mit § 39e Abs. 1a EStG-E eine automatische Bildung des aktuellen Faktors auf Grundlage der Daten aus den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen vor. Eine weitere Neuerung ist, dass gemäß § 39f Abs. 1 Satz 5 EStG-E künftig auch alleinverdienende (Ehe-)Partner das Faktorverfahren nutzen können.

Förderung der Gleichstellung?

Die Neuerung hat zum Ziel, eine gerechte und auch zutreffende (sofortige) Verteilung der Lohnsteuerbelastung für den jeweiligen familiären Arbeitslohn zu erreichen. Dies v. a. vor dem Hintergrund, dass in der aktuellen Situation regelmäßig die niedrigeren Arbeitslöhne von sich in Teilzeit befindlichen (oftmals weiblichen) Arbeitskräften der höheren (unterjährigen) Steuerbelastung der Steuerklasse V ausgesetzt sind.

Dies spiegeln auch die Daten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik für das Veranlagungsjahr 2020 (veröffentlicht am 26.07.2024) des Statistischen Bundesamts wider, wonach von den insgesamt rund 5,3 Mio. zusammenveranlagten Steuerpflichtigen mit ausschließlich Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit knapp 2,1 Mio. Paare (39 %) die Steuerklassenkombination III/V wählten. Bei weiteren 1,3 Mio. Paaren (25 %) erzielte nur eine der beiden Personen Arbeitseinkommen und war entsprechend in Steuerklasse III eingruppiert. Wie die Ergebnisse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2020 weiter zeigen, stellten Männer mit fast 7,7 Mio. Steuerfällen mehr als 3/4 aller Lohnsteuerfälle in der Steuerklasse III. Frauen fanden sich dagegen mit knapp 3,3 Mio. Steuerfällen über achtmal häufiger in der Steuerklasse V wieder als Männer (386.050 Steuerfälle).

Angesichts der vorgenannten Zahlen stellt sich die Frage, ob die Abschaffung der Steuerklassen III/V und die Überführung in das Faktorverfahren die bereits im Jahr 2010 beabsichtigte Förderung der Gleichstellung tatsächlich erreichen kann. Der Bericht des Bundesrechnungshofs vom 13.04.2021 beurteilte das Faktorverfahren in einer Rückschau der letzten zehn Jahre als weder wirksam noch wirtschaftlich und sprach sich für eine Abschaffung aus. Ob die Neuregelung nun zu der seit 2010 angestrebten Förderung der Gleichstellung beiträgt, bleibt abzuwarten.