Der Letter of Intent im Rahmen von Unternehmenstransaktionen
Mehr als nur eine Absichtserklärung
Einer der zentralsten Schritte im Prozess des Erwerbs/Verkaufs eines Unternehmens ist die unverbindliche Einigung und die damit verbundene Unterzeichnung eines Letter of Intent (auch kurz „LOI“).
Zu Recht kann man die Frage stellen, warum erst eine unverbindliche Absichtserklärung schriftlich formuliert werden muss bzw. warum man nicht gleich einen rechtsverbindlichen Kaufvertrag abschließt. Der Grund ist der zeitlichen Abfolge geschuldet: Der LOI wird meist in einem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem der Käufer noch nicht die Gelegenheit bekommen hat, sich zu vergewissern, ob alle Angaben des Käufers über das Kaufobjekt richtig oder vollständig waren und das Bild, das der Käufer sich vom Kaufobjekt gemacht hat, zutreffend ist. Andererseits muss eine ernsthafte – wenn auch noch rechtlich unverbindliche – Einigung über die Erwerbskonditionen erzielt worden sein, bevor der Verkäufer bereit ist, einem Kaufbewerber Einblick in die intimen Internas des zu verkaufenden Unternehmens zu geben.
Die grundsätzliche Reihenfolge bei Unternehmenstransaktionen ist deshalb Folgende:
Zunächst gibt der Verkäufer nur die wesentlichen Informationen über das Unternehmen preis, die für eine Bewertung (Kaufpreisermittlung) notwendig sind.
Im Vertrauen auf die Richtigkeit der erhaltenen Informationen gibt der Kaufbewerber ein Angebot ab.
Ist der Verkäufer mit dem Angebot einverstanden, so wird die Einigung über das Angebot im LOI schriftlich fixiert. Die Einigung ist normalerweise unverbindlich, da vorbehaltlich weiterer Prüfungen durch den Käufer.
Der Verkäufer lässt nach Abschluss des LOI eine detaillierte Prüfung in seinem Unternehmen zu (sogenannte Due Diligence-Untersuchungen).
Erst danach wird der verbindliche Kaufvertrag im Detail verhandelt und abgeschlossen.
Obwohl der LOI nicht final bindend im Sinne eines Kaufvertrages ist, legt er doch wesentliche Kriterien und prozessuale Aspekte für nachgelagerte Transaktionsschritte maßgeblich fest und drückt damit für Käufer und Verkäufer die „Guideline“ aus, zu der sich beide Parteien verpflichten. Daher ist es bereits in diesem frühen Stadium des Prozesses – der noch vor der eigentlichen Due Diligence liegt – entscheidend, wie beide Parteien die zu regelnden Themen verstehen und wie sie diese dann im LOI festschreiben. Dabei sind die nachfolgend beschriebenen Themen regelmäßig Inhalt eines LOI’s.
Präambel
In einer Präambel wird regelmäßig beschrieben werden, von welcher Grundkonstellation ausgegangen wird, was konkret das Objekt der Transaktion ist (z. B. die A-GmbH mit ihren Tochtergesellschaften B- und C-GmbH) und wie die Anteile aktuell verteilt sind. Der Käufer bringt damit konkret zum Ausdruck, was er erwerben möchte und was gegebenenfalls auch nicht und von wem er was erwerben muss, denn häufig besteht die Verkäuferseite aus mehreren Parteien. Insbesondere soll konkret zum Ausdruck gebracht werden, was der Käufer vom Verkäufer zu welchen Konditionen zu kaufen beabsichtigt.
In vielen Fällen wird in den LOI eine Aussage des potenziellen Käufers zum Hintergrund des Erwerbs und dem zugrunde liegenden strategischen Konzept aufgenommen. Ein strategischer Investor würde entsprechend etwas zur Bedeutung des Targets für seine bisherige Organisation und Strategie in Bezug auf Produkte oder Märkte ausführen. Ein Finanzinvestor, der z. B. ein Unternehmen erwirbt, bei dem der Generationswechsel nicht innerhalb des bisherigen Anteilseignerkreises möglich ist, wird eher auf diesen Aspekt und auch auf mögliche Zielsetzungen hinsichtlich Weiterführung und Wachstumsvision eingehen. Dieser Intention liegt gerade bei mittelständischen Unternehmen der Wunsch auf Verkäuferseite zugrunde Wissen darüber zu erlangen, was mit dem Unternehmen nach dem Verkauf passiert. Der Unternehmer will sein Lebenswerk in guten Händen wissen und sieht sich gerade seinen Mitarbeitern und deren Familien gegenüber in der Pflicht. Entsprechend geht es ihm zumeist auch um die Vermeidung eines persönlichen Reputationsschadens aus dem Verkauf.
Die zentrale Komponente des LOI bilden die Eckpunkte des Erwerbs sowie die Struktur der Transaktion. Folgende Inhalte sind regelmäßig Gegenstand: Der %-Satz der zu erwerbenden Anteile, die erforderlichen Transaktionsschritte, der Stichtag für die wirtschaftliche Übertragung (ab wann somit dem Käufer die Erträge zustehen), der Kaufpreis und dessen Ermittlung, fixe und variable Kaufpreisanteile und die entsprechenden zugrunde liegenden Bedingungen, erlaubte Cash-Abflüsse aus dem Unternehmen an den Verkäufer. Daneben sind Ausführungen zu weiteren von Käufer und insbesondere Verkäufer zu erfüllende Bedingungen, die grundsätzliche Zeitachse für den weiteren Prozess bis zur Unterzeichnung des Kaufvertrages sowie sonstige Nebenbedingungen zu treffen.
Ermittlung des Kaufpreises
Besondere Sorgfalt muss auf die Beschreibung der Ermittlung des Kaufpreises gelegt werden, der in sehr seltenen Fällen eine von vornherein feststehende fixe Zahl darstellt. In vielen Fällen erfolgt die Berechnung des Kaufpreises auf Basis einer Ertragskennzahl (z. B. EBIT) multipliziert mit einem sogenannten „Multiple“. Eine erste Hürde stellt bereits die Berechnung des angesetzten EBIT dar, bei dem es sich regelmäßig um einen normalisierten EBIT handelt, der eine durchschnittliche Ertragskraft des Unternehmens unter Eliminierung von Sondereffekten repräsentieren soll. Das Ergebnis von bereinigtem EBIT mal Multiple beziffert den sogenannten „Entity Value“, der allerdings nicht der finale Kaufpreis ist.
Der tatsächliche Kaufpreis, der sogenannte „Equity Value“ , wird durch eine Überleitung ermittelt, in der bestimmte Zuzugs- und Abzugsposten (z. B. Liquidität, Gesellschafterverbindlichkeiten, Pensionsverpflichtungen, Working Capital Ausgleich, erforderliche Investitionen, Gesellschafterentnahmen u. a.) angesetzt werden, die in vielen Fällen zu erheblichen Anpassungen – nicht selten – Abzügen vom Entity Value führen und damit zu einer Verminderung des dem Verkäufer letztlich zufließenden Betrages. In diversen Transaktionen wird darüber hinaus der Kaufpreis in eine fixe und eine variable Komponente aufgeteilt. In diesem Fall sind die Bedingungen und die zeitliche Fälligkeit festzulegen und zu beschreiben. Hierbei kommt es stets darauf an, ob der Verkäufer mit dem Verkauf auch operativ aus dem Unternehmen ausscheidet, ob er sämtliche oder nur (erstmal) Teile seiner Anteile verkauft, inwiefern er somit die künftige Ertragskraft des Unternehmens mitgestalten kann und damit Einfluss auf den variablen Teil des Kaufpreises hat.
Bei Abschluss des LOI ist der Bemessung des Kaufpreises eine große Sorgfalt zu widmen. Sofern Interpretationsspielräume offen bleiben, haben erfahrungsgemäß Käufer und Verkäufer ein unterschiedliches Verständnis, wie hoch der Kaufpreis sein soll und man wird sich in späteren Phasen möglicherweise nicht mehr einigen können. Problematisch ist oft, wenn unterschiedliche Transaktionserfahrung der beteiligten Parteien hinsichtlich üblicher Mechanismen und Terminologien aufeinandertreffen. Dies kann zu erheblichen Missverständnissen führen, die, wenn sie erst spät im Lauf des Transaktionsprozesses aufkommen, zu Friktionen, Verzögerungen oder gar zum Abbruch des Prozesses führen können. Daher muss das Thema bereits für den LOI intensiv, offen und klar besprochen und dann entsprechend dem gemeinsam entwickelten Verständnis im LOI beschrieben und festgehalten werden.
Neben der Ableitung des Kaufpreises ist festzulegen, auf welchen Stichtag und durch welches Verfahren die finale Ermittlung des Kaufpreises erfolgt. Hierbei kommen alternativ das sogenannte „Locked Box-Verfahren“ (ein fester vor Unterzeichnung des Kaufvertrages liegender Stichtag, für den sämtliche Zahlen bereits feststehen und damit beiden Parteien bekannt sind) oder sogenannte „Closing Accounts“ auf den Stichtag des Vollzugs der Transaktion zur Anwendung. Des Weiteren ist in den LOI aufzunehmen, welche Themen im Laufe des Transaktionsprozesses noch zu regeln sind bzw. sollte diesbezüglich eine grundsätzliche Ausrichtung in den LOI aufgenommen werden. Hierzu gehören u. a. Wettbewerbsverbote, der Verbleib und die Einbindung von wesentlichen Führungskräften, Garantien, der – meist übergangsweise – Verbleib des Verkäufers und Gesellschafter-Geschäftsführers sowie Immobilen (Letztere werden besonders von Finanzinvestoren häufig nicht übernommen, weshalb eine Vorabregelung insbesondere auch hinsichtlich der Vergütungen nach dem Erwerb getroffen werden muss).
Due Diligence-Prüfung
Nach der Unterzeichnung des LOI beginnt die eigentliche Due Diligence-Prüfung durch den potenziellen Käufer. Der LOI sollte entsprechend Umfang, Ablauf und Zeitplan für die Due Diligence regeln. Dazu gehört üblicherweise auch die Vereinbarung einer Exklusivitätsperiode. Für den potenziellen Käufer sind mit einer angestrebten Transaktion teilweise erhebliche Kosten verbunden, daher strebt er Sicherheit für einen festgelegten und auskömmlichen Zeitraum an, in dem er mittels der Due Diligence prüfen kann, ob seine (in der Kaufpreisermittlung ausgedrückten) Erwartungen an das „Target“ erfüllt werden und im positiven Fall auch zum Abschluss des Erwerbs kommen kann, ohne dass sich der Verkäufer grundlos umentscheidet.
Aus den genannten Kostengründen sollte in einem LOI evtl. festgeschrieben sein, welche Partei welche Kosten im Falle einer Beendigung der Transaktion trägt. Hier wird häufig versucht, zwischen Gründen zu differenzieren, die letztlich zu einer Beendigung geführt haben und die Kosten korrespondierend dem Verantwortlichen zuzurechnen. Dies gestaltet sich in der Praxis allerdings teilweise schwierig, weshalb viele LOI‘s vereinfachend vorsehen, dass jede Partei ihre Kosten selbst trägt, sofern nicht bestimmte eindeutig feststellbare Verfehlungen (z. B. das Nichteinhalten der Exklusivität, den grundlosen Abbruch während der Exklusivität u. Ä.) eingetreten sind.
Der LOI schließt regelmäßig mit der Vereinbarung von Vertraulichkeitsregeln sowie Ausführungen zur Rechtsverbindlichkeit ab, wobei ein LOI isoliert keinen Anspruch auf Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages darstellt. Übliche Klauseln zur Geltungsdauer des LOI, Schriftform, möglicher Teilunwirksamkeit sowie zum Gerichtsstand schließen den LOI ab.
Der LOI ist somit mehr als nur eine Absichtserklärung zum potenziellen Erwerb bzw. Verkauf eines Unternehmens oder eines Geschäftsbetriebes. Die auf den LOI verwendete Sorgfalt und Abstimmung zwischen potenziellem Käufer und Verkäufer und das damit erzielte gemeinsame Grundverständnis, insbesondere zum Kaufpreis und dessen Ableitung, üben letztlich einen großen Einfluss auf den Erfolg einer angestrebten Transaktion aus.