Jahressteuergesetz 2024 – ein inoffizieller Entwurf

Geplante Änderungen im Überblick

Seit dem 17.05.2024 liegt nunmehr der offizielle Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 vor. Nach umfangreichen Steueränderungen im Rahmen des verabschiedeten Wachstumschancengesetzes bringt auch dieser Gesetzesentwurf eine Vielzahl an steuerrechtlichen Neuerungen. Im vorliegenden Beitrag fassen wir die wesentlichen Inhalte des ersten Entwurfs zusammen.

Hintergrund

Im Zweijahrestakt verabschiedet der Gesetzgeber die Jahressteuergesetze. In diesem Jahr werden eine Vielzahl von Gesetzesänderungen erwartet. Der offizielle Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 (im Folgenden: JStG 2024) wurde am 17.05.2024 vom Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlicht. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich das JStG 2024 mit Änderungen in der Umsatz- und Lohnsteuer, wobei insgesamt auf thematisch eher partiell miteinander verbundene Einzelmaßnahmen der Fokus gelegt worden ist, mit dem Ziel Steuermehreinnahmen zu generieren.

Einkommensteuergesetz

Im Rahmen der Einkommensteuer sollen in den Regelungen des § 6 Abs. 5 EStG die Buchwertfortführung für die unentgeltliche Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen dem Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterngesellschaften ergänzt werden (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG-E).  Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 5 EStG ist aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.11.2023 (Az. 2 BvL 8/13) erforderlich geworden, da dieses eine unverzügliche gesetzliche Neuregelung für solche Übertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften angeordnet hat. Der nun vorliegende Entwurf bleibt jedoch weit hinter den gewünschten Möglichkeiten zurück, da er nur eine Minimallösung darstellt. So hat es der Gesetzgeber unterlassen, auch Übertragungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten – wie sonst in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vorgesehen – zu privilegieren. Ebenso fehlen Regelungen zu lediglich nicht vollständig beteiligungsidentischen Schwesterngesellschaften; also Gesellschaften, bei denen der Gesellschafterkreis nicht vollumfänglich personengleich ist. Erfreulich ist, dass bei nachteiligen Folgen der Neuregelung, die Möglichkeit der Nichtanwendung auf Antrag eingeführt werden soll.

Die im Vergleich zu einer früheren (inoffiziellen) Vorabversion des JStG 2024 vorgesehene Verschärfung der Körperschaftsklauseln in § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG-E sowie in den Fällen einer Realteilung in § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG-E ist in dem nunmehr vorliegenden Referentenentwurf nicht mehr enthalten. Dabei sollten in der Vorversion die Körperschaftsklauseln auch dann zur Anwendung kommen, wenn die an eine unmittelbare oder mittelbare Begründung oder Erhöhung eines Anteils einer Körperschaft an dem übertragenen Einzelwirtschaftsgut anknüpfen; Verhinderung des Überspringens stiller Reserven, wenn von einer Kapitalgesellschaft durch Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern zum Buchwert verhindert werden. Dies hätte eine gesetzgeberische Maßnahme zur Vermeidung einer – aus Sicht des Gesetzgebers – vermeintlich unerwünschten Ansicht des BFH dargestellt; es wäre damit eine Nichtanwendungsgesetzgebung zur BFH-Rechtsprechung vom 15.07.2021 (IV R 36/18) gewesen. In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass die Körperschaftsteuerklausel, welche eine Buchwertfortführung bei Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG verhindert, nur dann anwendbar wäre, wenn die in dem übertragenen Wirtschaftsgut vorhandenen stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime wechseln. Diese ursprünglich geplante Neuregelung hat keinen Eingang in den vom BMF veröffentlichten offiziellen Entwurf des JStG 2024 gefunden.

Schließlich werden im Rahmen der Steuerfreiheit von PV-Anlagen die technischen Grenzen erweitert, d. h. nach § 3 Nr. 72 EStG-E sind nunmehr 30 KWp für jede Wohn- oder Gewerbeeinheit zulässig.

Lohnsteuer / Arbeitnehmer

Der Entwurf des JStG 2024 sieht die Einführung einer optionalen Pauschalbesteuerung eines Mobilitätsbudgets in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG-E vor. Hierbei soll das Mobilitätsbudget bis maximal EUR 2.400 pauschal mit 25 % besteuert werden. Das Mobilitätsbudget umfasst dabei die gelegentliche Nutzung außerdienstlicher Mobilitätsleistungen wie E-Scooter oder Car-Sharing-Angebote. Dabei sollen Sachzuwendungen und Geldleistungen begünstigungsfähig sein. Zudem ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber die Mobilitätsleistungen selbst oder durch einen Dritten auf seine Veranlassung hin zur Verfügung stellt. Ausgenommen von der Regelung sind u. a. Job-Tickets, private Kraftfahrzeuge sowie die dauerhafte Überlassung von Kraftfahrzeugen und Job-Rädern.

Daneben sollen die Steuerstundungsregelungen für Vermögensbeteiligungen von Mitarbeitern um eine Konzernklausel in § 19a Abs. 1 Satz 3 EStG-E ergänzt werden. So soll eine nachgelagerte Besteuerung für vergünstigt gewährte Beteiligungen am Konzern des Mitarbeiters i. S. d. § 18 AktG ermöglicht werden, sofern der Konzern bestimmte Schwellenwerte nach § 19a Abs. 3 EStG erfüllt und keine Konzernunternehmen vor mehr als 20 Jahren gegründet wurden.

Zudem sollen nach § 10 Abs. 2b S. 2 f. EStG-E ab Jahresbeginn 2025 vereinfachte Regelungen für Bonusleistungen durch Krankenkassen in Bezug auf gesundheitsbewusstes Verhalten gelten. So soll künftig keine Kürzung der Beiträge zur Krankenversicherung als Sonderausgaben angewandt werden, wenn die Bonusleistungen maximal EUR 150 betragen.

Körperschaftsteuergesetz

Im Rahmen des Körperschaftsteuergesetzes werden die Übergangsregelungen vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren nach §§ 34, 36 KStG an die BVerfG-Rechtsprechung (BVerfG, Beschlüsse vom 24.11.2022 – 2 BvR 1424/15 und vom 06.12.2022 – BvL 29/14) angepasst. Es wird damit beabsichtigt, eine verfassungsgemäße Regelung für alle noch offenen Fälle sicherzustellen. Ebenfalls an eine BVerfG-Entscheidung (Beschluss vom 07.12.2022 – 2 BvR 988/16) angepasst wird die Sonderregelung für Wohnungsunternehmen in § 34 Abs. 14 KStG.

Zudem sieht der Entwurf des JStG 2024 Anpassungen hinsichtlich des steuerlichen Einlagekontos i. S. d. § 27 KStG vor. Künftig soll in allen Umwandlungsfällen auch dann keine Anfangsfeststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos durchzuführen sein, wenn durch die vorgenommene Umwandlung die übernehmende Körperschaft neu entsteht, wie z. B. bei der Ausgliederung zur Neugründung (angepasster § 27 Abs. 2 Satz 3 KStG-E). Der so übergehende Einlagenkontenbestand ist damit als Zugang des laufenden Wirtschaftsjahres zu behandeln und folglich für eine Verwendung im ersten Wirtschaftsjahr nach der Umwandlung bei der neu entstandenen übernehmenden Körperschaft nicht für eine Auskehrung als Einlagerückwähr verfügbar. Darüber hinaus soll durch den Wegfall des § 27 Abs. 2 Satz 5 KStG, eine Unterschrift bei der Erklärung zur gesonderten Feststellung nicht mehr notwendig sein. Bei mittelbaren Organschaften sollen die Mehr- oder Minderabführungen im steuerlichen Einlagekonto der zwischengeschalteten Gesellschaften ergänzt werden (§ 27 Abs. 6 Satz 3 KStG-E).

Umsatzsteuergesetz

Der nun vorliegende Entwurf des JStG 2024 sieht eine Neufassung der monetären Grenzen bei der Kleinunternehmerregelung vor. Demnach enthält § 19 Abs. 1 UStG-E eine Umsatzgrenze von EUR 25.000 für das vorangegangene Kalenderjahr und EUR 100.000 für das laufende Kalenderjahr. Zudem soll mit § 19a UStG-E ein spezielles Meldeverfahren für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung in einem anderen EU-Mitgliedstaat eingeführt werden.

Des Weiteren sind nachfolgend gelistete Neuregelungen vorgesehen:

  • Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Lieferanten mit Ist-Besteuerung soll erst bei Zahlung des Entgelts durch den Lieferanten möglich sein. Dadurch wird für Rechnungen, die nach dem 31.12.2025 ausgestellt werden, eine neue Pflichtangabe „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ erforderlich (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG-E).

  • Der Ort der Leistung bei Streaming an Nichtunternehmer wird in § 3a Nr. 3 UStG-E neu geregelt.

  • Die Übergangsregelung für die zwingende Anwendung der neuen Bestimmungen zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand werden ausgeweitet (§ 27 Abs. 22a Satz 1 UStG-E).

  • Konsortialdienstleistungen werden von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 8 UStG-E befreit. Daneben soll das Umsatzsteuerlager in § 4 Nr. 4a UstG abgeschafft werden.

  • Der Umsatzsteuersatz für pauschalierende landwirtschaftliche Betriebe wird um 0,6 %-Punkte auf 8,4 % für das Kalenderjahr 2024 abgesenkt.

  • Zudem sollen die Werklieferung, der unberechtigte Steuerausweis in einer Gutschrift, die Vorsteueraufteilung und die Steuerbefreiung an die aktuelle BFH-Rechtsprechung angepasst werden (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG-E).

Gewerbesteuergesetz

In § 7 Satz 8 GewStG-E wird klargestellt, dass sämtliche passive ausländische Betriebsstätteneinkünfte als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt angesehen werden. Dies betrifft die Fälle, in denen passive ausländische Betriebsstätteneinkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG vorliegen. Somit sollen auch jene Einkünfte erfasst werden für die Deutschland gemäß anzuwendendem Doppelbesteuerungsabkommen bereits das Besteuerungsrecht zusteht. Diese Regelung ist auch für Erhebungszeiträume vor 2024 anzuwenden (§ 36 Abs. 3 Satz 4 GewStG-E).

Änderung im Umwandlungssteuergesetz

Im Rahmen des Umwandlungssteuergesetzes soll nach § 3 Abs. 2a UmwStG-E eine 14-monatige Übermittlungsfrist für die steuerliche Schlussbilanz einer Umwandlung nach §§ 3 ff. UmwStG und – über den Verweis in § 11 Abs. 3 UmwStG – auch für solche nach §§ 11 ff. UmwStG eingeführt werden. Anzuwenden ist diese Neuregelung erstmalig für Fälle, in denen die Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des jeweiligen Umwandlungsvorgangs maßgebende öffentliche Register nach der Verkündung des Jahressteuergesetzes 2024 erfolgt ist.

Bei Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft oder nach einer Verschmelzung auf eine natürliche Person ist die Veräußerung und Aufgabe einer Personengesellschaft innerhalb einer 5-jährigen Frist gewerbesteuerpflichtig (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UmwStG-E). Dabei sollen in Zukunft auch mittelbare Veräußerungen oder Aufgaben von Anteilen an der übernehmenden Personalgesellschaft der Gewerbesteuer unterliegen. Dies betrifft insbesondere Übertragungsvorgänge bei doppelstöckigen Personalgesellschaften.

Durch die Einführung von § 20 Abs. 2 Satz 5 UmwStG-E soll die Entstehung von negativen Anschaffungskosten bei der Erfassung von Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum bei Einbringungen i. S. d. § 20 UmwStG verhindert werden. Demnach soll das eingebrachte Betriebsvermögen unter Beachtung der genannten Entnahmen und Einlagen ermittelt werden. Ein sich daraus ergebendes negatives Betriebsvermögen führt dazu, dass bei der Einbringung insoweit stille Reserven aufzulösen und bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft die Buchwerte aufzustocken sind.

Die Ausnahme von der rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II nach § 22 Abs. 2 UmwStG wird zur Vermeidung von Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Sofern die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der 7-jährigen Behaltensfrist nach Einbringung die zum gemeinen Wert eingebrachten Anteile veräußert, so löst dieses eigentlich schädliche Ereignis keine rückwirkende Besteuerung aus, wenn der Einbringende die erhaltenen Anteile bereits vor diesem schädlichen Ereignis veräußert hat. Diese Ausnahme soll allerdings zukünftig nur noch insoweit gelten, als die Veräußerung der erhaltenen Anteile unter Aufdeckung stiller Reserven erfolgt ist.

Zudem soll der Ansatz des Buchwerts der Anteile der übertragenden Körperschaft beim Anteilseigner zum Regelfall nach § 13 Abs. 2 UmwStG-E werden. Für den Ansatz zum gemeinen Wert muss der Anteilseigner einen unwiderruflichen Antrag stellen.

Änderung im Grunderwerbsteuergesetz

Im Rahmen des Grunderwerbsteuergesetzes soll Rechtssicherheit bei der Verwirklichung der Ergänzungstatbestände nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG geschaffen werden. Hierbei wird vorausgesetzt, dass einer Gesellschaft ein Grundstück „gehört“ und dieser somit zugerechnet werden kann. Für diese Zurechnung sind im aktuellen GrEStG keine gesetzlichen Regelungen vorhanden, womit die Begriffsauslegung ausschließlich auf Verwaltungsauffassung und Rechtsprechung basiert. Zur Beseitigung der vorhandenen Rechtsunsicherheit – und auch erheblicher Komplexität – wird § 1 Abs. 4a GrEStG-E eingeführt. Danach soll die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft bestimmt werden, die zuletzt einen Grundtatbestand nach § 1 Abs. 1 GrEStG über das Grundstück verwirklicht hat. Dies gilt allerdings nur, wenn und solange der Erwerb nicht nach § 16 Abs. 1 GrEStG rückgängig gemacht wurde. Somit führt die Verwirklichung eines Ergänzungstatbestands nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG nicht mehr zu einer Änderung der Zugehörigkeit, womit auch keine Doppelzugehörigkeit mehr erfolgen kann. Daneben kann nach § 1 Abs. 4a Satz 4 und 5 GrEStG-E bei Vorliegen einer Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG das Grundstück zeitgleich einer zweiten Gesellschaft zugerechnet werden.

Änderungen im Erbschaftsteuergesetz

Im Rahmen des Erbschaftsteuergesetzes soll die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Wohnimmobilien (10%iger Abschlag) auch auf in Drittstaaten belegene ausgeweitet werden; dies ist eine Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 12.10.2023 (C-670/21), §13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG-E. Hierbei wird allerdings ein Informationsaustausch mit dem jeweiligen Drittstaat in Bezug auf die Erbschaftsteuer vorausgesetzt. Zudem wird die Stundung der Erbschaftsteuer von bis zu 10 Jahren auf eigengenutzte Wohngrundstücke nach § 28 Abs. 3 ErbStG-E ausgedehnt. Des Weiteren wird im Zuge aktueller EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2021, C-394720) die anteilige Abzugsfähigkeit der Nachlassverbindlichkeiten bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG-E angepasst.