Fatale Folgen bei formalen Fehlern beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft

Unser heutiger Beitrag analysiert zwei am 19.09.2024 veröffentlichte Entscheidungen des BFH (verbundene Rechtssachen XI R 35/22 und XI R 14/20). Auf Revisionen der Finanzämter musste der XI. Senat des BFH darüber entscheiden, ob die spätere Berichtigung von Mängeln in einer Rechnung über ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft Rückwirkung entfaltet und damit die sog. Strafsteuer für einen innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß § 3d Satz 2 UStG auch rückwirkend entfällt.

Steuerrechtlicher Rahmen

Gelangt ein Gegenstand im Rahmen eines Reihengeschäftes von einem Mitgliedstaat in einen anderen unter Beteiligung von drei Unternehmern, die in drei unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten umsatzsteuerlich registriert sind, so enthält das Umsatzsteuerregime eine Vereinfachungsregelung für den mittleren Unternehmer (=Zwischenhändler bzw. nachfolgend „erster Abnehmer“). Sie besagt, dass dieser den Erwerb der Ware nicht im Bestimmungsland anmelden und die sich anschließende Lieferung an den zweiten Abnehmer ordnungsgemäß abwickeln muss, sondern diese Pflichten auf den dort registrierten zweiten Abnehmer übergehen. Ohne diese Vereinfachungsregelung müsste sich der erste Abnehmer im jeweiligen Bestimmungsland der Ware für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen, dort einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Ware mit gleichzeitigem Vorsteuerabzug deklarieren und schließlich auch für eine ordnungsgemäße Deklaration seiner Warenlieferung an den zweiten Abnehmer sorgen. Abhängig von den Regelungen im jeweiligen Bestimmungsland unterliegt diese Lieferung im Bestimmungsland entweder beim ersten Abnehmer der Besteuerung oder es kommt aufgrund nationaler Besonderheiten zu einer Steuerschuld des zweiten Abnehmers der Ware (sog. Reverse Charge-Verfahren). Eine solche Regelung für lokale Inlandslieferungen macht durchaus Sinn, da der erste Abnehmer im Bestimmungsland nicht ansässig und insoweit für die Behörden schwer greifbar ist.

Formale Voraussetzung für die Anwendung der Vereinfachungsregelung ist u.a., dass in der Rechnung des ersten Abnehmers auf das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft und die Steuerschuld des zweiten Abnehmers hingewiesen wird.

Sachverhalte in den vom BFH zu entscheidenden Streitfällen

In den beiden vom BFH zu entscheidenden Verfahren hatten die beiden deutschen Kläger es, als jeweils erste Abnehmer der Ware, versäumt, in ihren Rechnungen die oben aufge­zeigten Formalien zu beachten, sondern vielmehr ihre Lieferungen in Deutschland unter Verwendung ihrer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als innergemeinschaft­liche Lieferungen deklariert. Im Rahmen von Betriebsprüfungen wurden die Fehler aufge­deckt. Durch die Verwendung ihrer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer lös­ten die Kläger dadurch die Strafsteuer nach § 3d Satz 2 UStG aus, da der innergemein­schaftliche Erwerb nicht in Deutschland, sondern im Bestimmungsland erfolgte.

Aufgrund früherer Rechtsprechung zu den Wirkungen von Rechnungsberichtigungen ob­siegten die Kläger vor dem Finanzgericht Münster bzw. Rheinland-Pfalz. Die jeweiligen Finanzämter gingen aufgrund einer späteren Entscheidung des EuGH in Revision und obsiegten nun vor dem BFH.

Entscheidung des BFH

Auf Basis einer jüngeren Entscheidung des EuGH zu einem ebenfalls verunglückten, weil nicht erkannten, Dreieckgeschäft sah der BFH keine Möglichkeit, der Vereinfachungsregelung zur Anwendung zu verhelfen. Die nachträgliche Korrektur von Rechnungen entfaltet im Hinblick auf die Rechnungsvoraussetzungen des Dreieckgeschäfts keine Rückwirkung. Unbeachtlich für den BFH war, dass der Entscheidung des EuGH ein Missbrauchsfall zugrunde lag.

Die „Strafsteuer“ gilt so lange, bis der erste Abnehmer, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, die nicht aus dem Land stammt, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb bewirkt wird, nachweist, dass der Erwerb durch das Bestimmungsland besteuert worden ist oder im Rahmen der Vereinfachungsregelung als besteuert gilt, sofern der erste Abnehmer seiner Erklärungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Fazit

Wer sich die geniale gesetzliche Vereinfachungsregelung zu eigen machen will, muss höchste Vorsicht walten lassen.

Anders als bei der Berichtigung von Rechnungen, die in den überwiegenden Fällen zu einem rückwirkenden Vorsteuerabzug führt, gelten diese Grundsätze nicht für das inner­gemeinschaftliche Dreiecksgeschäft.

Der BFH musste nicht darüber entscheiden, ob die Berichtigung der Rechnung zumindest zu diesem Zeitpunkt, d.h. ex nunc, zu einem Erlöschen der Strafsteuer führt. Dieses Verständnis hatte die Generalanwältin in einem Verfahren vor dem EuGH ihrem Plädoyer zugrunde gelegt. Der BFH musste ebenfalls nicht darüber entscheiden, ob die Strafsteuer im Rahmen der Billigkeit nach §§ 163, 227 AO zu erlassen ist. Auch über die Erhebung der Zinsen musste er nicht entscheiden, sondern hat dies dem Finanzgericht aufgetragen.

Nachdem Deutschland noch als Exportweltmeister gilt und der Staat hiervon profitiert, sollte die Finanzverwaltung überlegen, unter welchen Voraussetzungen ein Erlass der Strafsteuer vorgenommen werden kann. Sinnvoll wäre dies zumindest, wenn der erste Abnehmer über den zweiten Abnehmer nachweist, dass der Erwerb von letzterem ordnungsgemäß im Bestimmungsland besteuert wurde.

Praxishinweis

Spätestens jetzt dürfen Unternehmen nicht weiter zuwarten, sondern müssen Vorkehrun­gen treffen, damit es nicht später zu unschönen, möglicherweise nicht mehr behebbaren Nachzahlungen kommt.

Die Abwicklung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften ohne Einschaltung der Steuerabteilung oder eines Fachberaters sollte dem Vertrieb untersagt werden.

Aufgrund der bestehenden Risiken gilt es zu überlegen, insbesondere bei Dauersachverhalten, ob der Aufwand einer Registrierung im Abgangsland der Ware oder im Bestimmungsland der Ware nicht der sichere und am Ende günstigere Weg ist.

Stellt man fehlgeschlagene Dreiecksgeschäfte fest, gilt es, sich diesbezüglich mit dem Fi­nanzamt ins Benehmen zu setzen.