ESRS-Modulverlautbarungen

Nahezu zeitgleich zu dem Referentenentwurf (RefE CSRD-UG) für ein Gesetz, das die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), in nationales Recht überführt, hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) im März 2024 den Entwurf einer Modulverlautbarung über die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) veröffentlicht (IDW RS FAB 100).

Der Entwurf dieser Modulverlautbarungen umfasst dabei fünf Module, die sich auf die Wesentlichkeitsanalyse (M1) und die Berichterstattung (M2) nach ESRS 1 konzentrieren. Die Modulverlautbarungen sollen dabei Fragen und Antworten der Anwender beantworten und damit die Unternehmen und deren Abschlussprüfer bei einer einheitlichen Auslegung und Anwendung unterstützen. In diesem Artikel möchten wir Ihnen die aus unserer Sicht wichtigsten Erkenntnisse darstellen.

Wesentlichkeitsanalyse

Die Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht es Unternehmen, die für sie wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen (sogenannte Impact, Risk and Opportunity – IROs) zu ermitteln (ESRS 1.25). Auf Basis dieser Analyse ergeben sich die zu berichtenden Datenpunkte im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (622 Angaben unterliegen dem Wesentlichkeitsvorbehalt). Dabei ist das Konzept der doppelten Wesentlichkeit zugrunde zu legen, d. h. ein Nachhaltigkeitsaspekt ist „wesentlich“, wenn er die Kriterien für die Wesentlichkeit der Auswirkungen („Impact Materiality“) oder für die finanzielle Wesentlichkeit („Financial Materiality“) oder für beide erfüllt (ESRS 1.28). Als Prinzipien zur Festlegung der Wesentlichkeit von negativen Auswirkungen werden deren Schweregrad und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens bestimmt. Der Schweregrad basiert auf den Faktoren Ausmaß, Umfang und Unabänderlichkeit. Das IDW stellt hierzu klar, dass jedes der drei Merkmale des Schweregrads eine Auswirkung (und somit mittelbar einen Nachhaltigkeitsaspekt) schwerwiegend bzw. sogar wesentlich machen kann (ESRS 1.AR 11), zum Beispiel das Ausmaß beim Verstoß gegen grundlegende Menschenrechte wie Kinderarbeit.

Interessenträger

Betroffene Interessenträger können im Rahmen der sogenannten „Stakeholder Befragung“ in sämtliche Schritte der Wesentlichkeitsanalyse einbezogen werden. Sie sind definiert als Einzelpersonen oder Gruppen, deren Interessen durch die Tätigkeiten des Unternehmens und seinen direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen in seiner gesamten Wertschöpfungskette betroffen sind oder betroffen sein könnten, sei es auf positive oder negative Weise (ESRS 1.22 (a)). Das IDW hat hierzu ein Schaubild in dem Modul ESRS 1-M1.2 zur Abgrenzung der betroffenen Interessenträger nach ESRS dargestellt.

Bei der Ermittlung der wesentlichen Auswirkungen des berichtenden Unternehmens ist eine Gruppierung der wesentlichen Interessenträger anhand vermuteter gleichartiger Auswirkungen eines Nachhaltigkeitsaspektes vorzunehmen bzw. vice versa aus den vorläufig identifizierten Auswirkungen abzuleiten. Die Bildung von Gruppen ist im Verlauf weiterer Untersuchungen zu hinterfragen, um eine unvollständige oder verzerrte Berichterstattung zu vermeiden. Dabei nehmen die ESRS selbst eine Mindestgruppierung vor, die in dem genannten Schaubild dargestellt ist. Es kann zudem erforderlich sein die Gruppen weiter nach geografischen, sozialen, kulturellen oder geschlechtsspezifischen Aspekten oder in Bezug auf einzelne Projektvorhaben, Standorte oder Vermögenswerte sowie Produkt- oder Dienstleistungskategorien des Unternehmens zu disaggregieren.

ESRS 1.AR 8 legt dabei nahe, dass die Bewertung der Wesentlichkeit auf der Grundlage des Dialogs mit den identifizierten betroffenen Interessenträgern erfolgt. Dies ist jedoch, mit Ausnahme der verpflichtenden Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter der eigenen Belegschaft, nur als starke Empfehlung, hingegen nicht als Verpflichtung, zu verstehen. Es wird vielmehr als hinreichend erachtet, die Perspektive der betroffenen Interessenträger einzunehmen. Dies ist unter anderem durch den Dialog mit Stellvertretern, wie beispielsweise mit Mitarbeitern bestimmter Abteilungen, Gewerkschaften, Interessensvertretungen oder Nichtregierungsorganisationen möglich. Darüber hinaus können (ggf. bereits vorhandene) interne Informationen wie Mitarbeiterbefragungen und Auswertungen von Kundenbeschwerdeprozessen oder externe Informationen wie wissenschaftliche Studien und Analysen herangezogen werden. Die Interaktion mit den betroffenen Interessenträgern kann auch der Validierung der (Zwischen-) Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse dienen.

Dahingegen hat das Unternehmen auszuschließen, dass der Einbezug der betroffenen Interessenträger zu einer Überschätzung von Partikularinteressen und damit zu einer Verzerrung der Einschätzung der Auswirkungen führt. Das IDW hebt hervor, dass die Gesamtverantwortung für die Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse, die Einschätzung des Schweregrads der Auswirkungen und die Bestimmung der zu berichtenden Nachhaltigkeitsaspekte beim berichterstattenden Unternehmen verbleibt.

Konsolidierungskreis

Grundsätzlich sind in einen Konzernabschluss alle Tochterunternehmen einzubeziehen, es sei denn, diese sind nicht wesentlich (§ 296 Abs. 2 HGB bzw. IAS 1.7). Fraglich ist jedoch, ob für den Konzernabschluss unwesentliche Tochterunternehmen in die konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung einzubeziehen sind. Im Ergebnis – so stellt das IDW klar – kann es zu einem von der Finanzberichterstattung abweichenden Konsolidierungskreis kommen, da sich die beiden Wesentlichkeitskonzepte der finanziellen Berichterstattung und der Nachhaltigkeitsberichterstattung voneinander unterscheiden.

Für Konzerne kommen als Verfahren zur Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Top-Down, der Bottom-Up-Ansatz oder eine Mischform aus beiden in Frage. Insbesondere beim Bottom-Up-Ansatz muss beachtet werden, Themen zu eliminieren, die zwar auf Ebene der Tochterunternehmen jedoch nicht auf Ebene des Konzerns wesentlich sind. Gleichzeitig muss ein angemessenes Maß an Konsistenz bei den Bewertungsmethoden und bei der Festlegung der Schwellenwerte berücksichtigt werden und ins Kalkül gezogen werden, dass sich auf Ebene der Tochterunternehmen individuell unwesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen zu wesentlichen Aspekten auf Konzernebene aggregieren können.

Vor allem bei diversifizierten Konzernen ist eine angemessene Beschreibung der Auswirkungen, Risiken und Chancen von Tochterunternehmen in die konsolidierte Berichterstattung aufzunehmen, wenn erhebliche Unterschiede zwischen der Konzernebene und einem oder mehreren Tochterunternehmen festgestellt werden. Dies kann beispielsweise bei unterschiedlichen Branchen oder unterschiedlichen Ländern der Fall sein.

Abschließend hat das IDW kommuniziert, dass weitere Modulverlautbarungen bereits in Vorbereitung sind und zeitnah veröffentlicht werden sollen. Darüber hinaus arbeitet das IDW an den Eckpunkten einer Prüfungsverlautbarung, die deutsche Besonderheiten zu internationalen Prüfungsnormen wie ISAE 3000 (Revised) und den für Ende 2024 erwarteten ISSA 5000 abdecken soll.