Erleichterungen beim Einsatz eines wirksamen Steuerkontrollsystems
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts beabsichtigt die Bundesregierung die steuerverfahrensrechtlichen Bestimmungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenprüfungen, punktuell zu modernisieren. Der Trend, die Außenprüfung in Deutschland zeitnah durchzuführen und allgemein zu beschleunigen, besteht bereits seit Mitte der 1990er Jahre. Hauptgründe hierfür sind insbesondere das Bedürfnis nach einer verbesserten Praktikabilität der Außenprüfung sowie der internationale Einfluss durch parallele Entwicklungen im Ausland. Erste Schritte zu einer bundesländerübergreifenden Beschleunigung der Außenprüfungen erfolgten mit der Regelung in § 4a der Betriebsprüfungsordnung, in dem die sogenannte zeitnahe Betriebsprüfung als eine weitere Möglichkeit der Durchführung einer Betriebsprüfung normiert wurde. Gleichwohl wurde hierdurch weder eine wesentliche noch eine bundeseinheitliche Beschleunigung erreicht.
Bei einem genaueren Blick in den Regierungsentwurf fällt allerdings auf, dass mit der Umsetzung der geplanten Neuregelungen zur Modernisierung bzw. Automatisierung der Betriebsprüfung in den meisten Fällen hohe Investitionen und Belastungen der Unternehmen einhergehen werden. An dieser Stelle seien nur die geplante Einführung einer einheitlichen digitalen Schnittstelle für den Export steuerrelevanter Daten sowie die geplante Ausweitung von Schätzungsbefugnissen der Finanzbehörden und die Festsetzung von Bußgeldern bei (formalen) Verfehlungen im Bereich der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu erwähnen.
Angesichts dessen kann die im Rahmen des oben genannten Gesetzgebungsverfahrens jüngst vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorgelegte Formulierungshilfe zur Erprobung alternativer Betriebsprüfungsmethoden (als punktuelle Ergänzung zum derzeitigen Regierungsentwurf) durchaus begrüßt werden. Ein Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber die Gewährung möglicher Erleichterungen im Rahmen einer Außenprüfung an das Vorhandensein eines wirksamen internen Steuerkontrollsystems knüpfen will. Konkret soll der im Rahmen der Formulierungshilfe vorgeschlagene neue § 38 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) der Finanzbehörde die Möglichkeit eröffnen, dem Steuerpflichtigen für eine nachfolgende Außenprüfung eine angemessene Beschränkung der Ermittlungsmaßnahmen zuzusagen, sofern eine Prüfung des internen Steuerkontrollsystems dessen Wirksamkeit bestätigt hat und keine Änderung der Verhältnisse eintritt. Damit die Finanzbehörde von Änderungen des eingesetzten Steuerkontrollsystems erfährt und damit in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob die Erleichterungen zu widerrufen sind, normiert § 38 EGAO zudem eine Dokumentationsund Informationspflicht des Steuerpflichtigen. Die Erkenntnisse aus den Systemprüfungen und den erteilten Zusagen sollen sodann Grundlage einer Evaluierung werden, ob und inwieweit der Rückgriff auf interne Steuerkontrollsysteme die Betriebsprüfungspraxis erleichtern und fördern kann. Hierzu sind dem BMF entsprechende Berichte bis zum 30. April 2027 zu übersenden. Die Erprobungsphase soll sodann am 31. Dezember 2027 enden.
Erste Einschätzung
Die über die Formulierungshilfe vorgeschlagene Erprobung alternativer Betriebsprüfungsmethoden mittels Rückgriff auf ein internes Steuerkontrollsystem ist im internationalen Vergleich nicht neu. Nach dem Vorbild der Niederlande startete die österreichische Finanzverwaltung im Jahr 2011 das Pilotprojekt „Horizontal Monitoring“. Die Zielsetzungen dabei waren insbesondere die Förderung der Tax Compliance, die Erhöhung der Rechts- und Planungssicherheit, die Gewährleistung einer zeitnahen bzw. rechtsrichtigen Abgabenerhebung, die Reduzierung der Compliance-Kosten und eine mittelfristige Ressourcenverlagerung bei der Finanzverwaltung hin zu Risikobereichen. An diesem Projekt nahmen 17 Unternehmensgruppen teil, z. B. Deichmann, Hornbach, Infineon, Red Bull und Shell Austria. Aufgrund eines positiven Evaluierungsberichts sowohl vonseiten der Finanzverwaltung als auch der teilnehmenden Pilotunternehmen Ende 2015 wurde Anfang 2019 die gesetzliche Grundlage für die sogenannte (freiwillige) begleitende Kontrolle in Österreich geschaffen. Bei Unternehmern, die die Teilnahme an diesem Verfahren beantragen und die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, ersetzt ein vom Unternehmer selbst entwickeltes und durch einen österreichischen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer überprüftes internes Steuerkontrollsystem in Verbindung mit einer erweiterten Offenlegungspflicht und einem laufenden Kontakt mit der Finanzbehörde die nachträgliche Außenprüfung.
Unseres Erachtens könnte die begleitende Betriebsprüfung in Österreich durchaus eine Blaupause für Deutschland darstellen. So könnte, zumindest betreffend die Ausgestaltung und Prüfung von internen Steuerkontrollsystemen, die österreichische Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Prüfung des Steuerkontrollsystems, kurz SKS-Prüfungsverordnung, ein Ausgangspunkt für derartige Überlegungen in Deutschland sein. Dabei sollte – gerade in Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen – das „Outsourcing“ der Prüfung des Steuerkontrollsystems auf einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer auch vom deutschen Gesetzgeber in Betracht gezogen werden. Die derzeitige ablehnende Haltung der Finanzverwaltung gegenüber „Zertifikaten“ oder „Testaten“ Dritter (so z. B. bei der Beurteilung der GoBD-Konformität steuerrelevanter IT-Systeme) sollte unseres Erachtens zumindest fallweise neu überdacht werden.
Dass das BMF Erleichterungen in der Betriebsprüfung aufgrund eines (aktuell) wirksamen Steuerkontrollsystems nur für die Zukunft gewähren will, macht bei genauerer Betrachtung jedoch keinen Sinn. Erleichterungen in der Betriebsprüfung und wirksames Steuerkontrollsystem müssen zeitlich zusammenfallen. Österreich sieht diesbezüglich auch zutreffend eine Erstprüfung in Form einer Angemessenheitsprüfung des internen Steuerkontrollsystems zu Beginn der begleitenden Kontrolle und eine Folgeprüfung alle drei Jahre in Form einer Wirksamkeitsprüfung ab dem Zeitpunkt der letzten Prüfung vor.
Warum das BMF erst jetzt, gut sieben Jahre nach Beendigung der Evaluierungsphase in Österreich, sich nun diesem Modell der begleitenden Betriebsprüfung annähert, bleibt – insbesondere aufgrund der räumlichen, rechtlichen und sprachlichen Nähe zu unseren Nachbarn – ein Rätsel. Letztlich ist das BMF gut beraten, beim Thema „Digitalisierung des Steuerrechts“ insgesamt einen Blick über die Grenze, zumindest zu unseren europäischen Nachbarstaaten Italien, Österreich, Frankreich und die Niederlande zu wagen. Dies sollte nicht zuletzt bei der bald anstehenden Einführung eines Melde- und Clearance-Systems im Bereich der Mehrwertsteuer zwingend ins Kalkül gezogen werden.