Änderungen des ErbStG im Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 2024
Anpassung an die Rechtsprechung des EuGH und neue Begünstigungsmöglichkeit für das Familienheim
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 17.05.2024 den Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) und am 10.07.2024 den Entwurf für das zweite Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024 II) vorgelegt. Von den zahlreichen Änderungen verschiedener Steuergesetze ist auch das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) betroffen. Neben einigen redaktionellen Anpassungen enthält der Entwurf auch Umsetzungen verschiedener EuGH-Urteile zum ErbStG aus den vergangenen Jahren. Zudem ist die Einführung einer Stundungsmöglichkeit für die auf den Erwerb eines Familienheims anfallende Steuer geplant. Der am 05.06.2024 veröffentlichte Regierungsentwurf hat die Änderungen zum ErbStG vollständig übernommen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der Entwurf in seiner aktuellen Fassung als Gesetz verabschiedet wird. Immerhin muss dieser noch durch den Bundestag und den Bundesrat verabschiedet werden. So ist nicht auszuschließen, dass der Entwurf in anderer Form aus den jeweiligen Gremien herausfindet, als er hereingefunden hat. Sollte der Entwurf jedoch in seiner aktuellen Fassung beschlossen werden, kann dies für Erwerber durchaus steuerliche Erleichterungen mit sich bringen.
Änderungen beim Abzug von Nachlassverbindlichkeiten
Als steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen gilt der Wert des Erwerbs nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten. Nachlassverbindlichkeiten sind jedoch nicht unbeschränkt, sondern nur nach den Bestimmungen des § 10 Abs. 5 bis 9 ErbStG abzugsfähig. In Fällen der beschränkten Steuerpflicht sind bisher insbesondere nur solche Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, die mit den Vermögensgegenständen, die der deutschen Besteuerung unterliegen (Inlandsvermögen), in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) steht etwa die Pflicht des Erben zur Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen (z.B. zu einer im Inland belegenen Immobilie). Pflichtteilsverbindlichkeiten sind deshalb bei beschränkter Steuerpflicht bislang nicht abzugsfähig. Dies hat der EuGH als europarechtlichen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit eingestuft (Urt. v. 21.12.2021, Rs. C-394/20). Durch den vorliegenden Änderungsentwurf soll die Rechtsprechung des EuGH umgesetzt und eine anteilige Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten in Fällen der beschränkten Steuerpflicht geregelt werden. Diese Abzugsfähigkeit soll entsprechend dem Anteil, mit dem der Vermögensanfall der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt, möglich sein.
Beispiel:
Die Eheleute A und B sind deutsche Staatsangehörige. Vor über 10 Jahren verlegten sie ihren Wohnsitz nach Italien. A gehört ein deutsches Grundstück (Wert: 500). Neben dem Grundbesitz besteht das Vermögen des A aus italienischem Bankguthaben und Wertpapieren (Wert: 500). Als A verstirbt, wird B aufgrund eines Testaments Alleinerbin des A. Daneben besteht ein Pflichtteilsanspruch des Sohnes von A aus erster Ehe (S). S hat einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 250. Da der Erwerb der B nach dem ErbStG nur beschränkt auf das in Deutschland belegene Grundvermögen steuerpflichtig ist, war es ihr nach der alten Rechtslage nicht möglich, die Pflichtteilsverbindlichkeit des S (250) von dem in Deutschland steuerpflichtigen Erwerb (500) abzuziehen. Nach der Gesetzesänderung wäre es B nun möglich, den Pflichtteilsanspruch des S anteilig nach dem Verhältnis des in Deutschland steuerpflichtigen Vermögens (500) zum Gesamtwert des Nachlasses (1000) abzuziehen (Verhältnis des in Deutschland belegenen Vermögens beträgt ½, daher ist ½ des Pflichtteils von S = 125 abzugsfähig). Demnach betrüge der steuerpflichtige Erwerb der B in Deutschland nur 375 statt 500.
Die bisher in § 10 Abs.6 S.11 ErbStG enthaltene Regelung wird in den neuen Absatz 6b verschoben.
Änderung der Voraussetzungen zur Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke
Das ErbStG sieht für den Erwerb von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken oder Grundstücksteilen einen Befreiungsabschlag in Höhe von 10% vor (§13d Abs. 1 ErbStG). Diese Steuerbefreiung ist bisher jedoch auf in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums belegenes Grundvermögen beschränkt (§ 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG). In Drittstaaten belegenes Grundvermögen (z.B. vermietete Wohnungen in der Schweiz) ist von dieser Vergünstigung ausgeschlossen. In dieser Ungleichbehandlung sah der EuGH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Urt. v. 12.10.2023, Rs. C-670/21). Ein Ausschluss von der Steuerbefreiung sei nur für Grundstücke in solchen Drittstaaten gerechtfertigt, mit denen kein umfassender Informationsaustausch bestehe.
Mit der geplanten Neuregelung des § 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG kann der Befreiungsabschlag bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch dann gewährt werden, wenn das Grundvermögen in einem Drittstaat belegen ist und in Bezug auf die Erbschaftsteuer ein Informationsaustausch mit diesem Drittstaat sichergestellt ist. Die Voraussetzung des ausreichenden Informationsaustauschs knüpft der Entwurf an die Gewährleistung ausreichender Amtshilfemaßnahmen. Diese liegen zum einen dann vor, wenn der jeweilige Drittstaat den OECD-Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch auf Ersuchen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 S. 1 des Steueroasen-Abwehrgesetzes im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland umgesetzt hat. Ein ausreichender Informationsaustausch soll nach der Gesetzesbegründung aber auch dann gewährleistet sein, wenn der Drittstaat mit der Bundesrepublik Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, das einen Informationsaustausch entsprechend dem Art. 26 des OECD-MA unter Einschluss der Erbschaftsteuer beinhaltet.
Eine umfassende Liste der Staaten, die diese Voraussetzungen erfüllen, soll im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint, dass den Finanzämtern nach der Gesetzesbegründung im Einzelfall die Möglichkeit gegeben werden soll, abweichend von dieser Liste die Gewährung des Befreiungsabschlags abzulehnen, wenn Tatsachen darüber bekannt werden, dass der jeweilige Drittstaat nicht in ausreichendem Umfang tatsächlich Amtshilfe leistet. Hierin besteht eine erhebliche Differenz zwischen dem Wortlaut der Norm, der diese Einzelfallprüfung gerade nicht vorsieht, und der Gesetzesbegründung. Dadurch dürfte ein erhebliches Konfliktpotential zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung angelegt sein.
Einführung einer Stundungsmöglichkeit beim Erwerb eines Familienheims
Durch die geplante Neueinführung einer Stundungsmöglichkeit, für die auf den Erwerb eines Familienheims anfallende Steuer, soll der Umstand berücksichtigt werden, dass Kinder in immer weniger Fällen in der Nähe des Familienheims ihrer Eltern leben und arbeiten. Daher können sie beim Tod der Eltern ihren Lebensmittelpunkt auch nicht ohne Weiteres innerhalb der hierfür im Regelfall vorgesehenen 6- Monats-Frist in deren bisherige Wohnung verlegen. Die Steuerbefreiung für das sog. Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG scheidet dann mangels unverzüglicher Selbstnutzung durch die Kinder aus. Bisher sieht das Gesetz lediglich die Stundung für zum Zeitpunkt des Erwerbs zu fremden Wohnzwecken vermietete – und damit durch Dritte genutzte – Grundstücke im Sinne des § 13d Abs. 3 ErbStG vor. Die geplante Neuregelung des § 28 Abs. 3 ErbStG sieht hingegen eine Stundungsmöglichkeit für alle Fälle vor, in denen der Grundbesitz fortan zu Wohnzwecken genutzt wird – egal ob vom Erblasser selbst oder von Dritten. Erfasst werden nun also insbesondere Fremdvermietungen des Grundvermögens nach dem Erwerb. Daneben besteht die Stundungsmöglichkeit aber auch für alle Fälle, in denen der Erwerber ein Objekt zu eigenen Wohnzwecken nutzt, ohne dass die strengen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG erfüllt sein müssen.
Die Regelung umfasst sowohl Erwerbe von Todes wegen als auch Schenkungen unter Lebenden. Bei Erwerben von Todes wegen sogar zinslos. Unberührt bleibt die weitere Voraussetzung der Stundung, dass die Steuer andernfalls nur durch Veräußerung des zu Wohnzwecken genutzten Grundbesitzes aufgebracht werden kann. Dabei werden sowohl das erworbene Vermögen als auch das vorhandene eigene Vermögen des Erwerbers berücksichtigt.
Ist der Grundbesitz in einem Drittstaat belegen, kann die Stundung nach dem Referentenentwurf nur gewährt werden, wenn in Bezug auf die Erbschaftsteuer ein Informationsaustausch mit diesem Drittstaat sowie die Möglichkeit der Beitreibung entsprechender steuerlicher Forderungen sichergestellt ist. Sofern der Informationsaustausch oder die Beitreibung in dem Drittstaat nicht mehr sichergestellt ist, endet die Stundung. Die Anforderungen sind dabei denen des § 13d Abs. 3 Nr. 2 n.F. (s.o.) ähnlich. Zusätzlich muss der Grundbesitz in einem Drittstaat belegen sein, der aufgrund einer dem Art. 27 OECD-MA entsprechenden Regelung verpflichtet ist, dem deutschen Fiskus Amtshilfe in Bezug auf die Erbschaftsteuer zu leisten. Auch hier geht die Gesetzesbegründung – im Unterschied zum Wortlaut der Norm – davon aus, dass die Stundungsmöglichkeit nur besteht, wenn der Drittstaat dem Amtshilfeersuchen tatsächlich nachkommt.