Corona-Krise und Erbschaftsteuer
Unerwünschte Nebenwirkungen der Krisenbewältigung
Die Corona-Krise hält derzeit nahezu die gesamte Wirtschaft in Atem, da mit erheblichen existenziellen Problemen zu rechnen ist. Von politischer Seite wurden daher eine Vielzahl an Ad-hoc Maßnahmen zur kurzfristigen Liquiditätssicherung verabschiedet, zuletzt etwa die Einrichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Dieser Fonds soll unter anderem die Beteiligung des Staates am Eigenkapital von Unternehmen ermöglichen. Auch werden seitens der Unternehmen zahlreiche Maßnahmen durchgeführt, um die Krisenfolgen abzumildern. Von vielen unbemerkt, können von einigen Maßnahmen zur Krisenbewältigung jedoch unerwünschte Erbschaftsteuerfolgen auf Ebene der Gesellschafter ausgehen. Grund genug, dies etwas genauer zu betrachten.
Die Grundlagen der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln
Schenkungen oder Erbschaften von Betriebsvermögen in Form von Einzelunternehmen oder Personengesellschaftsanteilen sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften profitieren unter gewissen Voraussetzungen von erbschaftsteuerlichen Begünstigungen. Diese können gar zu einer vollständigen Steuerfreiheit der jeweiligen Übertragung führen.
Dabei werden im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) nicht nur Anforderungen an das übertragene Vermögen im Zeitpunkt der Übertagung gestellt. Vielmehr müssen in einer Wohlverhaltensperiode nach dem Übertragungsstichtag verschiedene Bedingungen eingehalten werden, um in den Genuss der ursprünglich geplanten Steuerverschonung zu kommen. Die Wohlverhaltensperiode beträgt dabei im Rahmen der sog. Regelverschonung fünf bzw. im Rahmen der sog. Optionsverschonung sieben Jahre.
Folgende Bedingungen müssen u. a. erfüllt sein:
Behaltensfrist des übertragenden Vermögens von fünf bzw. sieben Jahren
Einhaltung einer Mindestlohnsumme bis zum Ende der jeweiligen Wohlverhaltensperiode
Nachversteuerung von Überentnahmen am Ende der Wohlverhaltensperiode
Werden die vorgenannten Bedingungen nicht eingehalten, mindert sich der jeweils gewährte Verschonungsabschlag anteilig. Dies könnte im Extremfall, etwa bei einem Verstoß gegen die Behaltefrist, im ersten Jahr der Wohlverhaltensperiode sogar zu einem vollständigen Entfall der Verschonung führen. Der Grund bzw. die Motivation für die Verstöße ist dabei grundsätzlich unbeachtlich.
Behaltefrist in der Krise
Grundsätzlich dürfen Unternehmensanteile, die der Wohlverhaltensperiode unterliegen, nicht veräußert werden. Eine Veräußerung führt zu einer zeitanteiligen Minderung der erbschaftsteuerlichen Verschonung des übertragenen Unternehmenswertes und kann somit gravierende erbschaftsteuerliche Konsequenzen haben. Erfolgt der Erwerb von Gesellschaftsanteilen eines Gesellschafters, der sich in der Wohlverhaltensperiode befindet, nun durch den neu zu schaffenden Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Zwecke von Kapitalmaßnahmen ist dies – soweit ersichtlich – ebenfalls schädlich im Sinne der Behaltefrist. Entsprechend verwunderlich, dass hierzu keine gesonderte gesetzliche Regelung bzw. Klarstellung im Gesetzentwurf (vgl. BT-Drs. 19/18109) zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds aufgenommen wurde.
Leider ist nicht nur der einfache Verkauf der Anteile nachteilig. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften können auch die Betriebsaufgabe und die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen, z. B. zur Liquidierung von Vermögen, schädlich sein. Auch die Insolvenz führt zu einem schädlichen Ereignis, welches die Nachversteuerung auslöst. Gerade in der Krise droht hier ein doppeltes Risiko. So etwa, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss und der Gesellschafter zusätzlich zur „Strafe“ noch mit Erbschaftsteuer belastet wird. Zumindest wirkt dem die Verlängerung der Frist zur Insolvenzanmeldung entgegen.
Einhaltung der Mindestlohnsumme bei Kurzarbeit und Abbau der Beschäftigung
Je nach Betriebsgröße und in Anspruch genommener Verschonungsvariante muss eine gewisse Lohnsumme über die Wohlverhaltensperiode eingehalten werden. Bei unterschreiten der jeweiligen Grenzen kommt es wiederum zu einer anteiligen Nachversteuerung. In Zeiten geringerer Beschäftigung und Kurzarbeit aufgrund der Corona-Krise besteht mithin das Risiko, dass die geforderten Lohnsummen nicht eingehalten werden und der Gesellschafter eines ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogenen Unternehmens zusätzlich noch mit nicht eingeplanter Erbschaftsteuer belastet wird.
Zwar mindert das Kurzarbeitergeld nach Ansicht der Finanzverwaltung glücklicherweise nicht die relevante Lohnsumme. Der Beschäftigungsabbau und infolgedessen geringere gezahlte Löhne und Gehälter können jedoch durchaus zu einem Problem für die Einhaltung der Mindestlohnsumme werden. Zumal insbesondere bei Übertragungen in den letzten Jahren die Vergleichsgröße, aufgrund oftmals hoher Beschäftigung, relativ hoch ausfallen kann. Entsprechend empfiehlt es sich, während der Wohlverhaltensperiode die relevante Lohnsumme genau im Auge zu behalten, damit am Ende nicht das böse Erwachen droht.
Gefahr von Überentnahmen in Zeiten geringer oder fehlender Gewinne
Der Gesellschafter, der seinen Unternehmensanteil durch Erbschaft oder Schenkung erworben hat und sich noch in der Wohlverhaltensperiode befindet, muss sog. Überentnahmen am Ende der Wohlverhaltensperiode der Erbschaftsteuer unterwerfen. Überentnahmen bzw. „Überausschüttungen“ entstehen immer dann, wenn die getätigten Entnahmen den seit der Übertragung zuzurechnenden steuerlichen Gewinn, Einlagen und einen Freibetrag von EUR 150.000 übersteigen.
In Zeiten rückläufiger bzw. ausbleibender Gewinne können durch Rücklagenentnahmen oder Vorabgewinnanteile durchaus Überentnahmen entstehen, die zur Nachversteuerung führen. Diese könnten jedoch durch eine ggfs. kurzfristige Einlage am Ende der Wohlverhaltensperiode geheilt werden. Insofern empfiehlt es sich auch hier – während der Krisenzeit – die getätigten Entnahmen genau zu überwachen.
Bislang keine Maßnahmen der Politik
Soweit ersichtlich, hat die Politik in den bislang getroffenen Ad-hoc Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise keine Änderungen der erbschaftsteuerlichen Anforderungen vorgenommen. Gerade Erwerber von Personengesellschaftsanteilen oder Einzelunternehmen, welche die Regel- oder Optionsverschonung in Anspruch genommen haben, können jedoch unvermittelt durch ungeplante nachträgliche Erbschaft- oder Schenkungsteuer belastet werden.
Diese Steuern werden oftmals aus der Liquidität der Gesellschaft beglichen, da die Liquidität der Gesellschafter im Unternehmen gebunden ist. Insbesondere in Krisenzeiten kann so die Liquiditätssituation von Unternehmen weiter verschlechtert werden. Entsprechend wäre es nicht nur wünschenswert, sondern u. E. zwingend, gebotene Verstöße, welche durch die Folgen der Pandemie verursacht sind, von der Nachversteuerung auszunehmen oder zumindest deutlich abzumildern.
Fazit
Die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Voraussetzungen in der Wohlverhaltensperiode können durchaus gravierende steuerliche Nachteile haben und zu ungeplanten Liquiditätsabflüssen führen. Dem kann nur durch eine verstärkte Überwachung der Voraussetzungen begegnet werden. Zudem sollten bei Krisenmaßnahmen auch die erbschaftsteuerlichen Konsequenzen bedacht werden. Mit Blick auf die derzeitige Ausnahmesituation ist dem Gesetzgeber anheim zu stellen, die Nachversteuerung auszusetzen, soweit diese durch Maßnahmen zur Abmilderung der „Corona-Krise“ direkt oder indirekt verursacht werden.
Jedoch hat die Krise aus erbschaftsteuerlicher Sicht zumindest einen „Vorteil“: Durch sinkende Erträge könnte künftig der erbschaftsteuerliche Wert von Unternehmen sinken und somit die Inanspruchnahme von erbschaftsteuerlichen Verschonungen für einige Unternehmen erleichtert werden. Demgegenüber steht aber weiterhin das Damoklesschwert des bereits vielgescholtenen 90 %-Tests, welcher bei sinkenden Unternehmenswerten gegebenenfalls zu einer noch größeren Hürde wird. Wir werden sie hierzu in einem weiteren Artikel informieren.