BEG IV: Textform ersetzt Schriftform

Die scheidende Bundesregierung hat letztes Jahr noch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) auf den Weg gebracht mit dem Ziel, Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung von unnötiger Bürokratie zu entlasten. Angelegt war dies bereits im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“. Das schließlich am 29.10.2024 vom Bundestag beschlossene Gesetz ist nun am 01.01.2025 in Kraft getreten. Neben anderen Novellierungen zielt eine der zentralen Maßnahmen darauf ab, das gesetzliche Schriftformgebot für Rechtsgeschäfte und einseitige Erklärungen in zahlreichen Bereichen auf die bloße Textform herunterzustufen. Nach Vorstellung der Bundesregierung soll hierdurch u. a. der digitale Wandel gefördert werden, weil dadurch Rechtsgeschäfte künftig ohne Medienbrüche digital abgewickelt werden können. Dies soll im Alltag von Unternehmen und Bürgern zu spürbaren Erleichterungen führen. Die Reduzierung von Papierverbrauch soll außerdem zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen beitragen und helfen, Kosten einzusparen. Doch was bedeutet diese Umstellung konkret und in welchen Bereichen wird sie relevant?

Digitalisierung von Prozessen

„Schriftform“ bedeutet in der Regel eine eigenhändige Unterschrift auf einem physischen Dokument, meist Papier. Das ist altmodisch, oft umständlich und zeitaufwendig, vor allem, wenn zwei Vertragsparteien auf demselben Dokument unterschreiben sollen. Die Textform hingegen erlaubt es, Erklärungen und Dokumente in einer lesbaren Form auf einem dauerhaften Datenträger z. B. per E-Mail zu übermitteln. Das bedeutet, dass viele Prozesse, die bisher eine physische Unterschrift erforderten, nun digital und somit schneller, ressourcenschonender und kostengünstiger abgewickelt werden können. Erklärungen und Dokumente können elektronisch übermittelt werden, und das nicht nur per E-Mail, sondern auch über sonstige digitale Kommunikationsmittel wie WhatsApp oder andere Messengerdienste. Damit können auch die Archivierung und der Zugriff auf Dokumente erleichtert werden.

Anwendungsbereiche der Umstellung

Das BEG IV sieht die Herabstufung von der Schriftform zur Textform in mehreren praxisrelevanten Bereichen vor. In Textform erfolgen nunmehr beispielhaft:

  • Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB): Einberufungen von Vereinsversammlungen, Einladungen zu Mitgliederversammlungen, Arbeitszeugnisse, Abschluss langfristiger Gewerbemietverträge und Landpachtverträge.

  • Im GmbH-Gesetz: Stimmabgabe der Gesellschafter im Umlaufverfahren kann nun in Textform erfolgen.

  • Im Handelsgesetzbuch (HGB): Empfangsbekenntnisse für den Erhalt von Waren sowie Vereinbarungen über Haftungserweiterungen und über die Verjährung bestimmter Schadensersatzansprüche.

  • In der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und im Steuerberatungsgesetz (StBerG): Einwilligungen des Mandanten zur Abtretung von Vergütungsforderungen und Erklärungen zur Haftungsbeschränkung.

Beweiskraft und übereilte Entscheidungen

Die Herabstufung der Formerfordernisse von der Schriftform zur Textform bringt sicherlich zahlreiche Vorteile mit sich. So sind die Änderungen im Vereins- und im Gesellschaftsrecht zur erleichterten Beschlussfassung zeitgemäß, sie beschleunigen und erleichtern die Prozesse. Die Anpassung an die modernen Kommunikationswege ist hier und in vielen anderen Bereichen sinnvoll und zweckmäßig. Allerdings zeichnen sich auch Probleme ab, etwa bei der Beweiskraft von Dokumenten in Textform. Während eine eigenhändige Unterschrift auf Papier eine hohe Beweiskraft hat, kann es bei elektronischen Dokumenten schwieriger sein, die Authentizität und den Urheber nachzuweisen. Dies kann insbesondere in rechtlichen Auseinandersetzungen zu Nachteilen führen.

Ein weiteres Problem ist der erheblich verminderte Schutz vor übereilten Entscheidungen. Während die handschriftliche Unterzeichnung eines Dokuments stets auch eine Warnfunktion erfüllt, ermöglichen elektronische Kommunikationsmittel wie E-Mail oder WhatsApp eine schnelle und oft informelle Kommunikation. Dies kann dazu führen, dass Entscheidungen weniger sorgfältig überlegt und voreilig „mit einem Klick“ getroffen werden. Ein Beispiel hierfür liefert eine recht informative Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urt. v. 11.11.2024, Az. 19 U 200/24e), die sich mit der Bedeutung und der rechtlichen Wirkung von WhatsApp-Mitteilungen und insbesondere auch von Emojis für den Abschluss eines Rechtsgeschäfts befasst.

Aus der Entscheidung geht hervor, dass WhatsApp-Mitteilungen und – unter bestimmten Voraussetzungen – auch Emojis rechtlich relevante Willenserklärungen in Textform sein können. Zugleich weist das Gericht zu Recht aber auch auf die Gefahr hin, dass Emojis und die meist informelle Sprache in solchen Mitteilungen schnell zu Missverständnissen führen können. Sie sollten daher zumindest bei Abschluss wirtschaftlich relevanter Verträge vermieden werden. Die Ausweitung der Textform auf wirtschaftlich schwerwiegende Vertragsabschlüsse wie etwa bei langfristigen Gewerbemietverträgen (deren wirtschaftliche Bedeutung nicht selten im zweistelligen Millionenbereich liegen kann) erscheint überhaupt bedenklich, wenn solche Verträge künftig auch per WhatsApp oder sogar einem einfachen „Daumen hoch“-Emoji abgeschlossen oder geändert werden können.

Sicherlich sind dies nicht die „Alltagsgeschäfte“, die das BEG IV eigentlich erleichtern will. Die Herabstufung von der Schrift- auf die Textform geht hier zu weit – und war vom Gesetzgeber vielleicht auch nicht ganz zu Ende gedacht. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich diese Änderungen in der Praxis bewähren. Und ob sie tatsächlich zu der erhofften spürbaren Entlastung führen – oder im Einzelfall sogar das Gegenteil bewirken.