Passive Rechnungsabgrenzung – Fallstricke beim Zeitbezug

Neue BFH-Anforderungen an Tatbestandsvoraussetzung „bestimmte Zeit“
Grundsätzliches

Rechnungsabgrenzungsposten sind sowohl handelsrechtlich (§ 250 HGB) als auch in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 5 EstG) nur dann zu bilden, wenn die abzugrenzenden Ausgaben Aufwand (aktive Rechnungsabgrenzungsposten) und die abzugrenzenden Einnahmen Ertrag (passive Rechnungsabgrenzungsposten) für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen. Dieses handels- und steuerrechtliche Gebot der Rechnungsabgrenzung dient der periodengerechten Erfassung von Aufwendungen und Erträgen.

Eine gesetzlich normierte Ausnahme vom Rechnungsabgrenzungsgebot bildet im Übrigen die GWG-Grenze des § 6 Abs. 2 EstG, wonach geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) bis zu einer Grenze von EUR 800 einer Sofortabschreibung zugänglich sind. Mit derzeit geplanter Verkündung des sog. Wachstumschancengesetzes in 2024 soll diese GWG-Grenze voraussichtlich auf EUR 1.000 erhöht werden.

Passive Rechnungsabgrenzung und Tatbestandsmerkmal „bestimmte Zeit“

Auf der Passivseite der Bilanz soll die Rechnungsabgrenzung die Einhaltung des Realisationsprinzips gewährleisten. Demnach dürfen vor dem Bilanzstichtag vereinnahmte Einzahlungen erst dann in die Gewinnermittlung einfließen, wenn die Gegenleistung erbracht ist. Das vorab vereinnahmte Entgelt am Bilanzstichtag ist nur insoweit abzugrenzen, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellt. Aufgrund dieser für die passive Rechnungsabgrenzung zwingend erforderlichen zeitlichen Zuordenbarkeit des Entgelts rückt das Tatbestandsmerkmal „bestimmte Zeit“ in den Fokus möglicher Gestaltungen.

BFH-Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „bestimmte Zeit“

Der BFH hat in seinem Urteil IV R 22/20 (veröffentlicht in 09/2023) der Bildung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten dann eine Absage erteilt, wenn die zeitliche Zuordenbarkeit des vereinnahmten Entgelts auf Perioden vorgenommen wird, deren Festlegung und ggf. zudem deren Gewichtung ausschließlich auf Schätzungen des Bilanzierenden beruht. Nach Auffassung des BFH würde bei derartigen Schätzungen das Kriterium „bestimmte Zeit“ an Bedeutung verlieren und es zu einem willkürlichen Gewinnausweis durch rein subjektive und somit nicht nachprüfbare Annahmen kommen. Individuelle Schätzungen des Bilanzierenden, die auf Gestaltungsentscheidungen basieren, sind somit nicht anzuerkennen. Demgegenüber sind allgemeingültige Maßstäbe für die Festlegung des Zeitbezugs grundsätzlich anwendbar. Als derartige allgemeingültige Zeitmaßstäbe gelten solche Größen, die nicht von vorneherein Zweifel über Beginn und Ende des Zeitraums aufkommen lassen. Idealerweise fallen kalenderbezogene Größen unter diese allgemeingültigen Maßstäbe.

Empfehlungen für die Bilanzierungspraxis

Infolge der jüngsten BFH-Rechtsprechung ist anzuraten, von vorneherein einzelfallbezogene Dokumentationen zu konkreten Leistungsphasen oder zu Leistungsfortschritten vorzuhalten oder konkrete, zeitraumbezogene Vertragsausgestaltungen vorzusehen.

Im Falle einer etwaigen Nichtanerkennung von zunächst gebildeten passiven Rechnungsabgrenzungsposten durch eine Betriebsprüfung könnte es zudem empfehlenswert sein, mit der Betriebsprüfung im Zuge eines Kompromissverfahrens die Anerkennung einer gewinnmindernden Passivierung einer Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand zu diskutieren.